Alte gälische Vokabeln sind es häufig, die als Namenspate für die neueste Abfüllung der Brennerei X herhalten müssen. Die Marketingabteilung bastelt in aller Eile eine tolle Story zu einem weiteren NAS-Whisky und dann ab auf den Markt.
Ich oute mich heute mal als Purist. Und zwar nicht mit Bezug auf mein Trinkverhalten in Sachen Whisky (was allerdings ebenso korrekt wäre), sondern auf das lateinische Wort purus („rein“) zurückgreifend, in diesem Fall also auf meine geistige Haltung zu Whisky. Ich bin nun wirklich nicht der „früher war alles besser“-Typ. Ganz im Gegenteil. Aber eine unglaubliche Schwemme an neuen Abfüllungen in kürzester Zeit mit meist phantasiereichen Namen, oft als NAS , schwappt über uns zusammen. Zeitgleich hat man den Eindruck, dass unabhängige Abfüller in allen Ländern wie Petersilie aus dem Boden schießen und den Markt mit zusätzlichen Labels fluten. Jeder zweite Weinhändler fühlt sich anscheinend gemüßigt, sich ein oder mehrere Fässchen abfüllen zu lassen, manchmal ungeachtet der nicht vorhandenen Fachkenntnis (oder Kompetenz). Erst unlängst flatterte mir die digitale Werbung eines hier nicht zu nennenden Fachhandels ins Haus, der sich damit brüstete, einen Scotch Single Malt Whisky – im Fass! – importiert und vor Ort abgefüllt zu haben. Da ist mir dann doch der Kamm etwas geschwollen und ich habe den Mann, vielleicht mit ein ganz klein wenig Schadenfreude, darüber aufgeklärt, dass er gemäß Scotch Whisky Regulation von 2009 lediglich Single Malt Whisky importiert hat, aber keinen Scotch Single Malt. Ups!
Die Nachfrage auf dem Markt ist riesig und steigt bislang weiter an. Die über Singapur abgesaugte Bulkware und die Abfüllungen für die neuen Märkte im Osten haben ihren Anteil daran. Jahrelang lebte man von den Beständen in den Warehouses und hat damit die Standardabfüllungen bedient. Nun muss man sich in NAS-Abfüllungen flüchten, da zu viele Brennereien stillgelegen haben und die Bestände nicht so schnell aufgefüllt werden können. Die schottische Whiskyindustrie investiert derzeit hunderte von Millionen Pfund Sterling in neue Brennereien, in die Reanimation eingemotteter Distilleries sowie in Re-Brandings, was allgemein als sicheres Zeichen dafür gewertet werden darf, dass der Boom anhalten wird. Hoffen wir. Was aber passiert, wenn sich die alten Stammkunden in Europa auf Grund der pausenlosen Sonderabfüllungen sowie des damit verbundenen Schwunds an Altbeständen in schottischen Warehouses abwenden? Wo sind die klassischen Master Distiller Bottlings, die Manager Choices? Auch wenn oft nichts Besonderes dahinter steckte, ich vermisse sie trotzdem. Und wo sind die Vintage Bottlings geblieben?
Auch in Deutschland tut sich enorm viel auf dem Whiskymarkt. An vielen Orten in unserem Land werden bei erfahrenen Brennern wirklich gute Whiskys produziert und mittlerweile kommen auch die ersten 12-jährigen auf den Markt. Ich kenne viele Brennereien in Deutschland und weiß, dass hier in vielen Fässern Großartiges heranreift. Das Image des Whisky Made in Germany steigt. Aber dann kommt wieder einer um die Ecke, der Whisky in Schottland einkauft und hier in Fässern nachreift, deren uraltes Holz er ausgegraben oder vielmehr ausgestochen hat. Ob das dem Ruf des deutschen Whisky Auftrieb verleiht? Was soll das?
Wohin wird das alles führen? Wer weiß das schon wirklich. Das Einzige, was mir persönlich am modernen Whiskydenken wirklich gut gefällt, ist das neue Holzbewusstsein. Seit einigen Jahren bereits sind die Wood-Manager und Masterblender an der Arbeit, um immer neue und raffiniertere Aromen aus den Fässern herauszukitzeln. Das macht mir wirklich Freude, denn aus dem Fass stammt mindestens 58% eines Whiskycharakters. Holz ist ein riesengroßes und spannendes Thema, wo, im übertragenen Sinne, noch viel Luft drin ist. Dieses neue Bewusstsein um die enorme Bedeutung des Holzes versüßt mir wenigstens etwas die Abfüllungswelle, die echte Whiskyliebhaber überrollt und eifrigen Sammlern das Konto leert. Ich wünsche und hoffe, dass diese Modeerscheinung doch noch zu einem guten Ende führt – und nicht zu einem Desaster. Gebt mir bitte 12-, 16-, 18-jährige und älter, auch in Fässern mit unterschiedlicher Vorbelegung nachgereift, aber keine Heerscharen an anonymen NAS mehr.