Abfüllungen unseres geliebten Whiskys gibt es wie Sand am Meer. Eine schier unüberschaubare Menge. Mittlerweile. Eine große Rolle spielen dabei die unabhängigen Abfüller. Große wie kleine, alte wie neue, traditionelle wie experimentelle, hochwertige wie minderwertige. Beleuchten wir die Sache in möglichst kurzer Form.
Originalabfüllungen der Core Range einer jeden Distillery sind das Bollwerk des Whiskys und seit jeher auf dem Markt. Dazu hat sich im Laufe der letzten Jahre eine immer größer werdende Menge an NAS-Abfüllungen gesellt, die in weiten Teilen wirklich toll gemacht, allerdings beliebig austauschbar sind. Die dadurch gewonnene Flexibilität benötigen die Konzerne, da die älteren Fässer, bedingt durch die Nachfrage aus neuen und solventen Märkten, inzwischen zur Neige gehen und nur langsam nachreifen. Also liegt es nahe, aus sehr jungen und aus einigen nur wenig reiferen Fässern ständig wechselnde NAS zu kreieren. Zusammen mit der Core Range, den Sonderabfüllungen sowie den wenigen noch auffindbaren und erschwinglichen älteren Abfüllungen steht der Whiskyfan so vor einer an sich bereits riesigen Auswahl.
Und nun kommen die unabhängigen Abfüller hinzu und befüllen, ja überschwemmen teilweise den ohnehin schon großen Markt mit einer noch größeren Menge an Whisky. Die großen Unabhängigen in Schottland weisen meist eine bereits weit zurückreichende Tradition auf, können auf eine lange Erfahrung am Markt verweisen und verfügen über wohlgefüllte Warehouses. Man kennt die Politik und das Konzept dieser Firmen und kann sie gut einschätzen. Zu Ihnen gesellt sich in den letzten Jahren eine immer größer werdende Anzahl neuerer und viel kleinerer Abfüller aus allen nur denkbaren Ländern, Deutschland inklusive. Sie unterhalten keine eigenen Warehouses, sondern kaufen sich Fässer aus den Beständen der Brennereien und lassen diese sofort abfüllen – letzteres geht ja auch nicht anders, sofern man einen Scotch auf den Markt bringen möchte. Diese neuen Spieler auf dem Markt, wenn oft auch nur eine One- oder Two-Man-Show, mischen das ohnehin große Angebot nochmals auf und vergrößern die Anzahl der Abfüllungen auf eine nicht mehr überschaubare Menge. Da man diese Abfüller aber nicht so gut einschätzen kann, bleibt dem neugierigen Käufer nichts anderes übrig als zu probieren, was das Zeug hält. Also ab auf die nächste Messe und riechen, schmecken und … nein, nicht sterben. Kaufen. Oder auch nicht.
Ist eine so riesige Menge an Abfüllungen sinnvoll? Ist der Standardverbraucher denn überhaupt noch in der Lage, die vielfältigen Qualitäten zu unterscheiden und die richtige Kaufentscheidung zu treffen? Welche Rolle spielen die Unabhängigen in diesem System?
Die unabhängigen Abfüller gehören zwingend zum System. Sie eröffnen den Whiskyfans die Möglichkeit, an Abfüllungen zu kommen, welche die Brennereien niemals auf den Markt gebracht hätten. Experimentelle Varianten, herzhafte und knackige Single Malts, weiche und wunderbar komponierte Blended Malts, limitierte Abfüllungen für Sammler und … alte und reife Whiskys, die wir häufig bei den Brennereien vergeblich suchen. Dazu kommt der Umstand, dass viele Abfüller z.B. eine Fassstärke auf den Markt bringen, von der es bereits eine Abfüllung in Trinkstärke der Brennerei gibt, so dass der versierte Fan etwas experimentieren und ganz andere Aromen freisetzen kann. Eine Fülle an tollen Leckerli. Natürlich muss man die Spreu von der Gerste trennen. Das funktioniert entweder über Erfahrung oder über probieren, probieren und nochmals probieren. So sammelt man dann die Erfahrung. Denn wie heißt es so schön: es ist ein unglaublich langer Weg, bis man zum Experten wird. Aber ein unglaublich schöner!