Viele Menschen lieben nur den Whisky. Basta. Die meisten Fans interessieren sich auch für die Brennereien. Wenige Menschen schauen sich auch noch die Geschichte dahinter an oder beschäftigen sich detailliert mit den einzelnen Schritten der Produktion. Noch weniger Menschen interessieren sich auch für die noch weiter zurückliegende Geschichte des Whiskys, zu der, als wesentlicher Bestandteil, die sogenannten Lost Distilleries gehören.
Mit dem Whisky und all den anderen Dingen, die eng damit verknüpft sind, beschäftige ich mich jetzt im 28. Jahr. Im Laufe der Jahre kam die schottische Geschichte hinzu, Land & Leute und die Politik. Täglich zapfe ich digitale Quellen an, um auf dem Laufenden zu bleiben. Aber eine ewige Faszination, die mich nicht loslässt, üben auf mich die vergangenen, teils noch ruinenhaften, teils fast gar nicht mehr vorhandenen Relikte der Whiskyvergangenheit. Vor vielen Jahren bin ich bei einem Edinburgh-Besuch in der National Library auf ein Buch gestoßen, welches die Initialzündung war: The Scotch Whisky Industry Records. Quasi ein Handelsregister der letzten drei Jahrhunderte mit allen je existierenden, legalen Brennereien und der Abfolge ihrer Eigentümer. Zuhause zurück habe ich mir dann dieses Buch sowie Alfred Barnards The Whisky Distilleries of the United Kingdom bestellt. Weitere Bücher folgten und die Grundlage für meine kleine neue Passion war gelegt. Zudem werde in meinem Lieblingsantiquariat in Edinburgh immer wieder fündig.
Mit Hilfe des ausgezeichneten Online-Research-Zugangs der Nation Library of Scotland gleiche ich seit Jahren die Angaben aus meinen Büchern mit historischem Kartenmaterial ab. Noch weit bis in das vergangene Jahrhundert hinein war es üblich, die einzelnen Gebäude mit Ihrer Nutzung auf den Karten zu beschriften, was ein Auffinden manchmal sehr erleichtert. Diesen Standort gleiche ich wieder mit Google Earth ab und schaue dann auch gerne bei Gelegenheit einmal persönlich vor Ort vorbei um zu prüfen, ob es noch sichtbare Relikte gibt. Dabei halte ich mich keineswegs nur an die von Brian Townsend erfassten Ruinen. Die alten Aufzeichnungen listen sehr viele Brennereien auf, die in aktuellen Büchern nicht erwähnt werden. Hier wird die Recherche teilweise sehr schwierig und ich verbringe dann in der Summe schon mal mehrere Stunden mit der Suche nach der richtigen Karte im richtigen Maßstab, um dort die Brennerei zu finden – teils noch als Brauerei oder als Getreidemühle ausgewiesen oder eben gar nicht beschriftet. Aber wie heißt es doch so schön: mit Geduld und Spucke, fängt man eine Mucke.
Meine bisher schönste und umfangreichste Recherche war die für einen achtseitigen Artikel im Whiskybotschafter im Jahr 2003. Drei Tage habe ich in Campbeltown vor Ort im Stadtarchiv gewühlt, mir im Ortsmuseum viel erzählen lassen, bin durch Hinterhöfe und Ruinen gelaufen und habe Busdepots und andere Einrichtungen fotografiert, umfangreiches Material und viele Fotos gesammelt. Das hat so richtig Spaß gemacht. 2005 erschien dann das Buch The Lost Distillieres of Campbeltown, leider nicht von mir. Aber ich bleibe dran. Mein digitales Archiv auf Google Earth kann sich mittlerweile sehen lassen und ich schaue stets gerne bei einigen Ruinen vorbei, wenn sie zufällig auf meinem Weg liegen.
Foto: Google Earth