Es gibt auf dieser Welt so unglaublich viele Whisky- und Whiskeytypen mit einer solch vielfältigen Menge an Aromen im Gepäck, dass ein wahrer Whiskyfreund nie zum Stillstand kommt und stets neue Welten und Aromakombinationen entdecken kann, ganz gleich woher der Whisk(e)y stammt. Natürlich ist es unbestreitbar, dass man bestimmte Grundcharaktere auch bestimmten Ländern zuordnen kann. Andererseits gibt es eine Unmenge an Abfüllungen in dieser Welt, die im Blind-Tasting niemals einem Land oder einer Region zugeordnet werden können, das sie einfach zu unabhängig von straffen Gesetzen oder Regeln bei den Rohstoffen, der Herstellung oder der Fassreife produziert wurden. Das alles ist aber Whisky: Ein Füllhorn an Charakteren und Aromen. Herrlich.
Das bei Weitem nicht alle Abfüllungen ausgezeichnet munden und toll schmecken, liegt in der Natur der Sache. Das gilt für Whisk(e)y wie auch für jedes andere Getränk dieser Erde. Selbstverständlich ist es dabei mehr als natürlich, dass dem einen Whiskygenießer oder der anderen Whiskeyenthusiastin hier und da ein Grundcharakter nicht besonders zusagt und man lieber auf das zurückgreift, was einem schmeckt. Dabei sollte man natürlich das gelegentliche Probieren und den Vorstoß in vielleicht neue Welten nicht aufgeben, sondern versuchen, stets Neues und Interessantes zu entdecken und nicht bereits nach dem ersten Whisky aus einer neuen Brennerei oder einem anderen Land ein vernichtendes Grundsatzurteil fällen. Dies verstößt gegen die Ehre und Würde eines echten Whiskyfreundes. Sind wir uns da einig? Gut!
Was ich seit Anbeginn meiner „spirituellen“ Tätigkeit vor nunmehr knapp 27 Jahren aber beobachte, ist, dass es viele Menschen gibt, die im Kreis geneigter Zuhörer tatsächlich aggressiv äußern, sie würden z.B. ausschließlich „Schotten“ trinken. Wenn es bei dieser Äußerung bliebe, wäre die Welt ja noch, bis auf den ruinierten Ruf des Redners, halbwegs in Ordnung. Das Topping allerdings ist die nun eröffnete Front gegen alles, was nicht aus diesem schönen Land kommt. Da wird von der Handfeuerwaffe bis zur schweren Artillerie alles aufgefahren, was rhetorisch am Lager ist. Reicht es denn nicht, dass sich solche Menschen bereits als engstirnig gebrandmarkt haben? Müssen sie sich jetzt auch noch mit ihrem Unwissen blamieren und die Whisk(e)yfreunde, die vielleicht gerade den Whisk(e)y aus genau diesem anderen Land, der gerade öffentlich verteufelt wird, vor den Kopf stoßen? Echt jetzt? Braucht es das wirklich?
Dies und einige Dinge mehr erlebe ich immer wieder auf allen möglichen Messen und Festivals beim passiven Mithören. Ist es denn notwendig, im eigenen Haus eine Front gegen die Mitbewohner aufzumachen? Können Whisk(e)yfans unter sich, gleich welches Land oder welche Brennerei sie bevorzugen, nicht freundschaftlich und kollegial miteinander umgehen? Muss man den Whisk(e)y eines Landes oder einer Brennerei gleich ans Kreuz nageln, bloß wenn man einmal im Vorübergehen einen Hauch davon wahrnimmt?
Wir leben alle im gleichen Haus, da wir Whisk(e)y lieben. Seid doch bitte offen für Neues und toleriert es freundlich, wenn andere Menschen einen anderen Geschmack haben oder sich ständig nach neuen Entdeckungen umschauen. In anderen Ländern, anderen Brennereien, anderen Fässern. Seid nett zu Euren Mitbewohnern.
Foto: Adobe Stock Sinisa Botas #9640776