Wie oft habe ich in über zweieinhalb Jahrzehnten in der Welt des Whiskys diesen Satz bereits gehört: „Aber Whisky trinkt man doch eher im Winter!“. Ja sicher. Macht man. Aber warum nicht auch im Sommer? Ist es der vermeintlich schwere und torfige Charakter eines Whiskys, der viele Menschen zu dieser Aussage verleitet, oder haben die Leute Angst vor den mindestens 40% vol., die da auf den Trinkenden bei großer Hitze zukommen? Eine Antwort auf diese Frage werde ich wohl niemals finden. Aber ich kann Euch gerne ein paar Tipps geben, wie Ihr auch mit Whisky durch den Sommer kommt, ohne das Getreidedestillat durch andere Flüssigkeiten zu verunreinigen – im Volksmund auch Cocktail genannt.
Im Allgemeinen ist ein leichter Whisky aus den schottischen Lowlands oder auch Southern Highlands ein guter Anfang. Wie wäre es z.B. mit einem klassischen Glenkinchie 12yo, überall erhältlich und herrlich leicht und frisch im Charakter? Alternativ und für anspruchsvollere Genüsse habe ich mir gerade aus der gleichen Brennerei die Distiller’s Edition bestellt: Eine Kleinigkeit vollmundiger mit Trauben- und Gebäckaromen, aber noch immer blumig und erfrischend. Wer lieber nach etwas Leichtem aus der Speyside sucht, könnte sich an einem Glenfarclas 10yo versuchen. Die Brennerei wird mit der ungewöhnlich leichten und frischen Abfüllung ihrem Housestyle nicht untreu und bleibt im Preis zudem im unteren Segment. Wer etwas ganz andres ausprobieren möchte, sollte sich eine Flasche des Epicurean besorgen. Dabei handelt es sich um einen Blended Malt Whisky, der ausschließlich mit Whisky aus Lowland Distilleries hergestellt wurde. Vollmundig und frisch.
Was fast immer geht, sind die leichten und frischen Scotch Blends, wobei ich auf keinen Fall von der meistverkauften Abfüllung spreche. Wie wäre es mit einem leckeren J&B oder, noch leichter, einem Cutty Sark? Noch etliche Empfehlungen für Schottland könnte ich hier aussprechen, was aber den Rahmen des Beitrags sprengen würde.
Daher machen wir schnell einen Sprung nach Irland, wo es eine große Anzahl an leichten Malts und Blends zu finden gibt. Abgesehen von dem klassischen Jameson ist der Jameson Blender’s Dog eine eher ungewöhnliche und würzige Variante des doch sonst superleichten Blends. Wer sich gerne ein wenig mehr in den Tiefen Irlands verirren möchte, dem empfehle ich einen der (wieder mal) neueren Abfüllungen aus dem Hause der Familie Teeling, welche sich nun wirklich, damals wie heute, ihren Platz in den Whisky-Geschichtsbüchern Irlands erobert hat. Besonders gelungen ist der relativ neue Teeling Riesling Cask.
Auch die USA und Japan möchte ich nicht ohne jeweils wenigstens eine Empfehlung übergehen. Die doch eher gewaltig auftretenden, typischen Noten für Bourbon (von Rye wollen wir in diesem Zusammenhang nicht reden) treten in der Standardabfüllung Blanton’s Special Reserve eher gezähmt auf und sind durchaus als ein Sommerbourbon zu empfehlen. Japan würde ich bei diesen Temperaturen mit einem Nikka Coffey Grain bedenken, der aus Mais hergestellt wird und mit seinen floralen und zitrusartigen Aromen zum Sommer passt.
Zum Schluss werde ich natürlich auf keinen Fall die deutschen Whiskybrenner vergessen. Neben der Standardabfüllung von Slyrs Classic empfehle ich Euch ebenfalls (ach, es gibt so viele Möglichkeiten!) den Stonewood Single Wheat Malt, als leichten und weizensüßen Whisky, wie auch einige Abfüllungen der Brennereien Nine Springs in Thüringen, den MacRaven aus dem Hochsauerland, den Brigantia vom Bodensee, …
Bitte habt Verständnis dafür, dass ich in der Kürze dieses Blogbeitrags bei Weitem nicht alle Whiskys vorstellen kann, die ich auch unter höherer Ozonbelastung gerne trinke. Deutschland ist leider ein wenig zu kurz gekommen, da es gerade hierzulande viele Abfüllungen gibt, in denen die Aromen eher leicht und raffiniert um die Ecke kommen. Nächste Woche bin ich wieder in deutschen Brennereien unterwegs. Ich werde berichten. Bis dahin wünsche ich Euch allen einen schönen und getreidehaltigen Sommer. Vergoren und destilliert.