Wut, Enttäuschung und Verständnislosigkeit sind wohl meine vorherrschenden Gefühle, wenn ich das lese. Ein Whisky, für den eine KI durch selbstlernende Algorithmen die wunderschöne und voller Geheimnisse steckende Reife im Warehouse in wenigen Stunden im Labor nachstellt. Und es kommt noch besser: eine Destillerie, die diesen dann auch noch auf den Markt bringt. Zum Geburtstag.
Whisky ist eine Philosophie, eine Kunst, eine uralte Tradition, die hohe Kompetenz verlangt. Viel Geduld ist nötig, um ein Produkt herzustellen, das von den Konsumenten genau aus den genannten Gründen geliebt und geschätzt wird. Warum geht nun eine Brennerei hin, und bringt einen künstlich gereiften Whisky auf den Markt und ignoriert die Motive der Kenner und Freunde dieses Getränks? Auch wenn Mackmyra nicht gerade in einem Traditionsland der Whiskyherstellung seinen Sitz hat, so sollte doch ein wenig Respekt vor der menschlichen Handwerkskunst und vor dem Konsumenten vorhanden sein. Ich bin fest davon überzeugt, dass die hier angewandte Technik sicherlich in anderen Bereichen der Lebensmittelindustrie einen sinnvollen Anwendungsbereich finden wird. Aber bei der Herstellung von Whisky?
Der zuständige Autor des Gastgewerbemagazins scheint von diesem Produkt restlos überzeugt zu sein, wobei ich nicht beurteilen kann, in wie weit dieser über profunde Kenntnisse in diesem Bereich verfügt oder persönlich einen Zugang zu Whisky hat. „Diese Einzigartigkeit war für die Brennerei Mackmyra nicht genug“? Was schreibt der Mensch denn da? Hier wird Einzigartigkeit, nämlich die langjährige Fassreifung, im Labor plattgemacht. „Neben den Freunden des guten Geschmacks kommen auch die Technikliebhaber voll und ganz auf ihre Kosten“. Die Liebhaber der Destillationstechnik vielleicht, aber doch nicht die Fans der KI. Nicht in diesem Produkt. Solche und ähnliche Sätze finden sich leider noch einige im Artikel vom 16. September 2019. Die digitale Technik hilft mir meinen Alltag zu organisieren und produktiver zu gestalten. Ich setze sie in anderen Bereichen in meiner zweiten Firma häufig ein, um das Erlebnis von Hotelgästen zu verbessern. KI hat so viele mögliche Einsatzbereiche, wobei uns gerade wieder durch Experten die Grenzen der künstlichen Intelligenz aufgezeigt wurden. Die KI kann den Menschen noch sehr lange Jahre lang nicht ersetzen, da dieser über Fähigkeiten verfügt, die eine Maschine einfach nicht erbringen kann. In diesem Einsatzgebiet, dem Whisky, haben die KI und[ die verantwortlichen Menschen eine Grenze überschritten. Es tut mir in der Seele weh zu sehen, wenn menschliche Mühen, Kompetenz, Hingabe, Jahrhunderte alte Traditionen und ein Mythos ins Reagenzglas getreten werden.
Wenn ich einen guten Whisk(e)y trinke, habe nicht nur ich stets die mühevolle und geduldige Herstellung dieses köstlichen Tropfens im Hinterkopf. Was würde passieren, wenn ich diese Gedanken plötzlich nicht mehr mit diesem wunderbaren Getränk verbinden könnte? Was würde passieren, wenn mir statt eines hochwertigen Oloroso-Butts plötzlich Prozessoren und Laborkittel durch die Synapsen schwirren? Was würde passieren, wenn die KI in der Whiskyherstellung in Schottland, Irland oder den USA Fuß fassen würde? Ich kenne die Antwort für mich bereits. Ich höre auf, Whisky zu trinken. Bei Mackmyra habe ich es seit letzter Woche bereits getan.
Bildquelle: Mackmyra (Foto zeigt nicht den „Intelligens“)