Tastings halte ich seit über zwei Jahrzehnten. Große Runden, kleine Runden, manchmal unterschiedliche Zusammensetzungen, manchmal alle aus einer Branche, extrem wissbegierig, toll motiviert, kaputt vom Tag, völlig ahnungslos, mitten drin in der Materie… Viele, viele Menschen habe ich vom flüssigen Gold des Getreides überzeugen können oder ihnen einen tieferen Einblick verschafft und dabei viel Begeisterung geerntet. Jedes dieser Tastings hatte seinen eigenen Charakter und seine eigenen Herausforderungen. Aber mal abgesehen vom Whisk(e)y, eins hatten alle gemeinsam – und werden es auch immer haben: meine Freude daran, anderen Menschen etwas von diesem tollen Getränk zu erzählen, ihnen Fotos und Videos zu zeigen, gemeinsam mit ihnen verschiedene Abfüllungen zu verkosten und viele Fragen zu beantworten. Das mache ich leidenschaftlich gerne.
Es gab in all den Jahren nur eine Handvoll Gruppen, wo meine Leidenschaft für das Thema jäh gebremst wurde: wenn die Teilnehmer schlicht zu jung für dieses edle Getränke waren. Eine solche Gruppe stellt eine echte Herausforderung dar und jegliche Freude an der Vermittlung von Wissen und Unterhaltung verabschiedet sich in die Untiefen von Loch Ness wenn die Frage auftaucht: „Wann gibt es denn den nächsten Whisky?“. Der betreffenden Firma habe ich nach drei Tastings der gleichen Altersgruppe freundlich aber bestimmt erklärt, dass es für den Genuss von Whisky einer gewissen geistigen Reife bedarf, die von den bisherigen Teilnehmern leider nicht mitgebracht wurde. Da habe ich lieber einen Kunden verloren, als einer Horde geltungsgetriebener, unreifer und vergnügungssüchtiger Ultraspätpubertierender freudlos die Großhirnrinde durchdringen zu wollen.
Bei gemischt zusammengesetzten Gruppen herrscht meist Ruhe und gespannte Aufmerksamkeit, da man sich untereinander meist nicht kennt und dem umhergehenden Moderator mit seinem Nosingglas in der Hand gerne lauscht.
Wirklich entspannend, auch für den Moderator, sind Kleingruppen – meist handelt es sich um Entscheidungsträger oder Freundeskreise, die ein Kamingespräch bestellt haben. Mit ein paar edlen Abfüllungen im Glas, denn um solche handelt es sich meist, gemütlich über Whisky, Geschichte, Land und Leute zu plaudern macht viel Spaß, da kein festes Thema als vorgegeben gilt.
Interessant wird es bei Firmengruppen, wo der Chef ein riesiger Whiskyfan ist und zur Weihnachtsfeier ein Tasting bestellt. Wenn die anwesenden Mitarbeiter/-innen im Auditorium nach nebenan auf die Gerstenkaltschale schielen, weil sie mit Whisky nun wirklich nichts anfangen können, stellt das für den Moderator eine besondere Herausforderung dar. Hier gilt es die eingefleischten Bier- und Weinfans einzufangen und für die Materie zu begeistern. Das macht Spaß und gelingt stets sehr gut.
Auf eines allerdings kann man sich bei Tastings, die durch eine Firma veranlasst sind, von Beginn an verlassen: da diese Menschen den größten Teil der Woche zusammen verbringen, entsteht hier eine besondere Form der Interaktion. Zu Beginn nicht etwa zwischen Gästen und Moderator, sondern untereinander. Da gibt es dann jenen, der gerne seine eigenen Beiträge zum Thema Whisky veröffentlichen möchte und jenen, der die übrigen Kolleginnen und Kollegen gerne mit lustigen Einwürfen unterhält. Beide stellen eine kleine, interessante, aber nicht unüberbrückbare Herausforderung dar, bei der ich stets viel Spaß habe. Lässt man sie zu lange gewähren, verlieren die anderen Gäste den Spaß und das Interesse an der Sache. Da ein Whisky Tasting nun für alle Teilnehmer ein gelungenes Event sein soll, tut man gut daran, beide Protagonisten innerhalb der ersten fünf Minuten wieder einzufangen. Das gelingt stets gut und alle Gäste können sich dann zurücklehnen, zuhören, Fragen stellen und das flüssige Gold in Ruhe genießen.
Jedes Tasting ist anders, da die Menschen verschieden sind. Wenn die Teilnehmer eines Tastings langsam den Raum füllen, versuche ich mir bereits ein Bild zu machen. Manche grüßen und nehmen Platz, andere mustern das aufgebaute Line-up der Abfüllungen und stellen bereits die erste Frage… Das ist etwas, was mir viel Freude bereitet, da ich Wissen und Informationen über eine Materie vermitteln kann, der ich leidenschaftlich verfallen bin. Vor und mit Menschen zu sprechen macht mir Spaß, schließlich ist es nach 34 Jahren Hotellerie mein täglich Brot.