Whisky ist seit den neunziger Jahren ein Hype. Ein Hype, der bereits jetzt die hochprozentigen Mitbewerber Gin und Rum mit seiner Lebensdauer und der jährlichen Wachstumsrate in den Schatten gestellt hat. Und ein Ende ist nicht in Sicht. Whisky wird fast überall in der Welt hergestellt, warum also nicht auch in Deutschland?
Deutschland ist das Land der Obst- und Kornbrenner. Warum also sollte hier nicht auch ein wunderbarer Whisky hergestellt werden, zumal die Rohstoffe dafür vor fast jeder Haustüre wachsen? Dass die Dimensionen im Vergleich zu schottischen oder gar amerikanischen Brennereien verschwindend klein sind, lässt keinerlei Rückschlüsse auf die Qualität zu, zumal bei den deutschen Whiskyproduzenten, auf Grund des Produktions- und insbesondere des Destillationsverfahrens, ein ungleich reinerer Brand hergestellt wird. Für deutschen Whisky gilt eine Scotch Whisky Regulation oder gar ein Bourbon Gesetz nicht. Dies macht es z.B. möglich, bei der Auswahl der Rohstoffe eine viel größere Vielfalt von Beginn an ins Spiel zu bringen. Auch bei der Fassreifung, obgleich auch hier das Ex-Bourbon Fass dominiert, kommen ganz andere Hölzer zum Einsatz, was wiederum ein weites und interessantes Spektrum an Aromen produziert. Skeptiker argumentieren oft damit, dass die deutschen Brenner häufig viel zu jungen Whisky als Dreijährigen auf den Markt bringen. Nun, das hat zum einen natürlich wirtschaftliche Gründe, da wegen der geringen Mengen und oft begrenzter Lagerkapazitäten die Produktionskosten ungleich höher liegen. Zum anderen geht der Punkt natürlich an die Brenner, wenn diese sagen, dass sie auf Grund des reineren Brandes die Reifezeit verkürzen können. Nun kommen wieder die Skeptiker mit der noch im Prozess befindlichen Veresterung um die Ecke. Natürlich ist auch das korrekt. Aber wenn im Rahmen der Reifung nicht erst unerwünschte Aromen entfernt werden müssen, hat dieser Umstand Auswirkungen auf den Vorgang und die Dauer einer sensorisch optimalen Veresterung. Eine endlose Diskussion.
Im Laufe der kommenden Jahre werden zweierlei Dinge passieren. Kleinere Produzenten mit weniger Know-how werden sich wieder auf ihre Kernkompetenzen im Bereich Obst und Korn konzentrieren oder ganz aufhören. Die Übrigen, oft alteingesessenen Hersteller, werden mit der Zeit auch ältere Abfüllungen auf den Markt bringen. Slyrs und Coillmór z.B. glänzen bereits mit einem 12-Jährigen, den ich bei Beiden als überaus gelungen einstufe. Stonewood hat ebenfalls einen wunderbaren 10-Jährigen auf den Markt gebracht. Und es kommt noch mehr. Auf meinen Rundreisen durch deutsche Whiskybrennereien, die auch bald fortgesetzt werden, habe ich viele Fassabzüge gekostet und an noch mehr Fässern schnuppern dürfen. Hier schlummern viele Köstlichkeiten, die in den kommenden Jahren alle dem interessierten Whiskyfan zugänglich gemacht werden. Ich freue mich schon darauf!
Apropos interessiert. Wir, die wir Whisky mögen und lieben, bewegen uns doch auf einem internationalen Feld. Hierfür bedarf es eines weltoffenen Blickwinkels. Man kann keinerlei Urteil über etwas fällen, was man nicht aus allen möglichen Winkeln geprüft und – in diesem Fall – auch verkostet hat. Will heißen, Skeptiker können keinesfalls nach bereits einem oder zwei Glas deutschen Whiskys abwehren. Ein objektives Urteil entsteht erst nach eingehender Prüfung. Da aber die deutsche Whiskylandschaft so unglaublich vielfältig ist, bedarf es einiger Zeit und Geduld, um sich einen Überblick zu verschaffen. Wer sich diese Zeit nicht nimmt und nur mit einem engen, auf ein bestimmtes Land fixierten Blickkanal durchs Leben schreitet, dem werden sich andere (Whisky)-Welten niemals erschließen.
Ich für meinen Teil mache einen guten Whisky nicht am Land der Herstellung fest. Für mich gibt es gute und weniger gelungene Abfüllungen, ganz gleich wo diese produziert wurden. Nur mit dieser offenen Einstellung kann man die wunderbare Welt des Whiskys wirklich bis in den letzten Winkel entdecken.