Man kann nach vielen Dingen süchtig sein, von Zigaretten bis hin zum Smartphone, von Drogen wollen wir gar nicht sprechen. Alle sind aus medizinischer Sicht als Sucht anerkannt und zu behandeln. Auch die Sucht nach Alkohol. Aber Whisky? Hier sprechen wir von etwas anderem, einem Lebensstil, einer Philosophie, einer Leidenschaft. Das Umfeld des Whisky ist einfach zu groß: die unglaubliche Vielfalt, Herstellung, Geschichte, Land und Leute, etc.. Das kann man nicht kurieren, das muss man leben!
Bis zu meinem 33. Lebensjahr habe ich mich im Umfeld des social drinking mit Bier und Wein begnügt. Bis zum dem Tag, als mir meine Eltern von einer Schottlandreise eine Flasche Highland Park 12yo mitbrachten. Eines Abends öffnete ich dann endlich die Flasche und probierte einen Schluck. Ihr wollt nicht wissen, in welchem Glas. Der Duft aus dem Glas war angenehm, weich und doch mit einigen Kanten, aromatisch und zugänglich. Der Geschmack hielt, was die Nase versprach, und überzeugte mich davon, dass das schottische Edelgetränk in Zukunft zu meinem Portfolio gehören sollte.
Zunächst allerdings geriet die Flasche in Vergessenheit, da mich der Beruf wieder mit Abwesenheit und Jetlags belegte. Durch Zufall wurde mir auf einer Party nur wenige Wochen später wieder ein Whisky angeboten. Die Flasche sah zwar ganz anders aus, hatte eine rote Siegellackkappe und es stand Bourbon Whisky (ja, in diesem Fall ohne e) darauf, aber es war Whisky. Also willigte ich gerne ein, ob der angenehmen Erinnerungen an die Aromen des Highland Park. Bereits als ich meine Nase über den Tumbler (sorry) hielt, stockte ich und griff zur Sicherheit nochmals nach der Flasche, um das Etikett zu prüfen. Beim Probieren kam die nächste Überraschung: da war überhaupt nichts von dem zu finden, was ich von dem anderen Whisky kannte. Ich wurde von einer Woge Karamell, Honig und anderen Frühstücksbestandteilen, gepaart mit frischem Leder, überwältigt. Was war jetzt das? Beides war Whisky, so stand es zumindest auf den Flaschen und dennoch schien jeder von einem anderen Planeten zu stammen.
Gleich am nächsten Tag beschloss ich der Sache auf den Grund zu gehen: warum kann etwas, was die gleiche Bezeichnung trägt, so unglaublich unterschiedlich in Nase und Gaumen daher kommen? Tja, im Grunde genommen tue ich das noch heute, der Sache auf den Grund gehen. Obwohl ich mittlerweile diese Frage perfekt beantworten kann, ließ mich die Materie nicht mehr los. Berge von Fachliteratur, unzählige Schottlandreisen, Praktika in schottischen Brennereien, Fachbücher der University of Glasgow und viele, viele Gespräche mit Distillery Managers und Master Blendern haben meinen Horizont in zweieinhalb Jahrzehnten enorm erweitert. Hinzu kamen das Studium der schottischen Geschichte und die Möglichkeit, das Hobby mit dem Beruf zu kombinieren, und fertig war die Whiskyleidenschaft, die ich heute lebe und in all den Jahren in ungezählten Schulungen und Tastings weitergegeben habe. Mittlerweile vermittle ich sogar Whiskywissen online in Live-Webinaren. Ich bin nicht mehr zu kurieren.